Wenn man durch die Romontgasse, einem der belebtesten Orte Freiburgs geht, so fällt einem bald eine reglose Gestalt auf, die etwa 3 Meter vor dem Schaufenster des Juweliers Christ verharrt. Sie hält eine Einkaufstasche in der linken Hand und ist von Kopf bis Fuss in Grau gekleidet. Selbst ihr Gesicht und ihre Hände sind im gleichen Farbton gehalten. Es handelt sich bei genauerem Hinsehen um die Figur einer weinenden Frau, deren Tränen am Körper hinunterfliessen und in einer Bodenrinne aufgefangen werden. Der Zürcherin Franziska Koch ist es in beeindruckender Art gelungen, Gestalt und Kleidung der Figur naturgetreu zu erfassen. Feine Details, wie die Nähte an der Kapuzenjacke, konnten präzise festgehalten werden und tragen dazu bei, dass vorbeigehende Passanten die Figur gar mit einem lebenden Menschen verwechseln können.
Die Körperteile wie Hände und Gesicht sind einer Freundin der Künstlerin nachempfunden worden, die zu jener Zeit, als man ihre Züge abgegossen hat, an Liebeskummer litt. Für Künstler der Renaissance galt das Bestreben, nicht nur die visuelle Realität zu formen, sondern durch den Gesichtsausdruck und die Körperhaltung einer menschlichen Figur auch das emotionale Innenleben sichtbar zu machen; so wohl auch im Werk von Koch. Nicht selten geschieht es, dass Passanten aus ihren Gedanken gerissen werden und irritiert stehen bleiben, um die weinende Frau zu betrachten. Nicht nur der Tränenfluss, sondern auch die gebeugte Haltung der Person verdeutlichen die kummervolle emotionale Stimmung, welche den Betrachter in ihren Bann ziehen und gar Anteilnahme provozieren kann.
Die sonst hauptsächlich als Videokünstlerin tätige Franziska Koch nannte ihr Werk Trinkwasser. Handelt es sich hierbei wirklich um einen Trinkbrunnen oder dient der Titel als weiterer Denkanstoss? (AW/bf)