Der im Februar 2011 verstorbene Bernhard Luginbühl war ein Bildhauer und Eisenplastiker aus dem Kanton Bern, den unter anderem eine langjährige Freundschaft mit Jean Tinguely mit der Stadt Freiburg verband. Er war vorallem durch seine kolossalen rostigen Eisenplastiken, aber auch für seine graphischen Arbeiten und Filmprojekte bekannt.
Noch heute wird die Stadt Freiburg, nicht zuletzt dank der Universität, als Hort des Katholizismus angesehen. Dieses Festhalten an religiös-katholischer Geschichte und Tradition ist es, was Bernhard Luginbühl zu seinem Kardinal inspiriert hat. Ein überdimensionales Eisenstück in der typischen Form eines Kardinalhuts ist mit riesigen Muttern und Schrauben auf ein Metallgestell mit soliden Stützen montiert. Schwere, lose Eisenketten laufen in alle Richtungen auf den Boden hinaus. An der Front- und Rückseite ragt je ein Eisenring mit Halterung unter dem Hut hervor und an seinen Seiten sind einander gegenüberliegende, überdimensionale Flügelmuttern angebracht. Mit ein wenig Fantasie kann man sich unter diesen Teilen ein surreales Gesicht vorstellen: der Eisenring mit Halterung als grosse Knollennase, die Flügelmuttern als Ohren und die Ketten als (Bart-)Haare. Die Flügelmuttern tragen zudem ovale Eisengelenke, die an riesengrosse Ohrläppchen erinnern. Gleich hinter der „Nase“ ist eine horizontale Stange angebracht worden, die zwei frontal ausgerichtete Muttern trägt, welche wiederum Augen repräsentieren könnten. Wo die linke Wange sein müsste, hängt ein zur Nase hingedrehter, dünner Eisenring, der an ein Brillengestell oder an ein Monokel denken lässt. Inmitten dieser Konstruktion aus rostigen Teilen steckt ein nach oben gedrehter Haken im leeren Raum, wo sich das Gehirn befinden würde.
Sollte dieses Kunstwerk mit seinen grotesken Proportionen tatsächlich eine Karikatur der geistlichen Würdenträger der Stadt Freiburg darstellen? Wie der Freiburger Tourismusverband erläutert, hat Luginbühl die Plastik auf ironische Weise mit zahlreichen, kritischen Anspielungen versehen. Für die Deutung der Plastik ist zudem das Material und dessen Zustand von Wichtigkeit: Die Konstruktion besteht aus Eisenabfällen, welche in die Jahre gekommen sind. Sie tragen die Spuren der Abnutzung und eine Rostschicht, die kaum an den vornehmen Glanz eines wirklichen Kardinalhuts erinnert. Könnte es sein, dass Luginbühl, der im reformierten Bern aufgewachsen ist, die Eisenplastik als kritischen Fingerzeig zum allgemeinen Zustand der katholischen Kirche verstanden wissen will? Spricht er auf bildhafte Weise die konservative Haltung der Kirchenführung und deren Widerstand gegen jegliche Reformbestrebungen der Kirchenbasis an? Wie ist der umgedrehte Haken im Kopf der Figur, einem Fragezeichen ähnlich, wohl zu deuten? (AW/bf)