Das oben abgebildete Kirchenfenster zeigt den alten Volksheiligen Christophorus, eine sagenumwobene Gestalt aus dem 5. Jahrhundert. Es illustriert eine von vielen Christophorus-Legenden. Gemäss dieser Geschichte war Christophorus eine riesenhafte Gestalt mit furchterregendem Aussehen. Er setzte sich zum Ziel, nur dem mächtigsten König zu dienen. Als er aber bemerkte, dass sich ein König, dem er zu Diensten war, vor dem Teufel fürchtete, beschloss er dem Satan zu folgen. Später beobachtete er, wie der Teufel dem Bild des gekreuzigten Christus auswich. So wusste Christophorus, dass es einen noch mächtigeren Herrn geben muss. Nach langer, erfolgloser Suche nach Christus blieb der Riese schliesslich bei einem Einsiedler, der ihn in seiner Klause an einem Fluss beherbergte. Der kräftige Christophorus bot fortan seine Dienste den Menschen an, die das Wasser überqueren wollten und betätigte sich als deren Träger. Eines Tages stand ein kleiner Knabe am Wasser und bat über den Fluss getragen zu werden. Doch da ereignete sich etwas Sonderbares: „Als er aber mit diesem Kind auf der Schulter ins Wasser stieg, wurde die Last immer schwerer, das Wasser schwoll an, er fürchtete zu ertrinken und glaubte, die ganze Welt läge auf seinen Schultern. Mehr als die Welt hast du getragen, sagte das Kind zu ihm, der Herr, der die Welt erschaffen hat, war deine Bürde. Das Kind drückte ihn unter das Wasser und taufte ihn so.“ (Ökumenisches Heiligenlexikon)
Im Bild von Castella präsentiert sich Christophorus nicht wie ein furchteinflössender Riese, sondern als ein in sich gekehrter Mann, der den Jesusknaben sorgsam auf seiner linken Schulter trägt und sicher über den Fluss bringen möchte. Jesus hebt segnend die Hand und hält, als Attribut des Weltenherrschers, die Weltkugel schützend im Arm. Die Gestalt rückt optisch, durch ihre Platzierung in der alles überstrahlenden Aureole, ins Zentrum des Geschehens. Mit der intensiven und kontrastreichen Farbgebung scheint sich der Künstler an die damals neuen europäischen Tendenzen des Fauvismus und Expressionismus anzulehen. Er vollzog damit einen, für die damalige Zeit, mutvollen Schritt hin zur Modernität im ländlichen Plasselb.
Im Kunstführer Sensebezirk werden die Glasfenster de Castellas in der Pfarrkirche von Plasselb erwähnt und ihre „ganz vorzügliche Zeichnung und Farbigkeit“ gerühmt. Ausführlicher beschreibt der Kunsthistoriker Hermann Schöpfer den Glasfensterzyklus in einer Broschüre zur 175-Jahr-Feier der Kirche Plasselb. „Im Schiff befinden sich sechs Glasfenster mit ganzfigurigen Heiligengestalten von 1922, im Chor drei mit Szenen aus dem Leben Mariens von 1922-1923. Die Entwürfe schuf Jean-Edward de Castella, die Ausführung besorgte die Werkstatt Kirsch & Fleckner in Freiburg. Die Schifffenster stehen zwischen Jugendstil und modernen Tendenzen des ersten Jahrhundertviertels, die Chorfenster zeigen den flächigen Stil de Castellas der 1920er/30er Jahre. Die Plasselber Fenster gehören zu den schönsten Glasmalereien jener Zeit in den freiburgischen Landkirchen.“ (...) „In den Plasselber Schifffenstern hat de Castella vermutlich erstmals voll seinen eigenen Stil gefunden. Die Schönlinigkeit, die Silhouette des Jugendstils sind noch zu finden, treten aber zugunsten einer einfachen und klaren Komposition etwas in den Hintergrund.“
Das Christophorusfenster befindet sich auf der rechten Schiffseite, zusammen mit den Heiligen Martin und Wendelin. Links werden die Frauenheiligen Agnes, Katharina und Cäcilia dargestellt. Christophorus wird von Gläubigen als Nothelfer angerufen. Er wurde in neuerer Zeit unter anderem als Schutzpatron der Autofahrer verehrt. Unterhalb des Glasbildes von Castella ist das Wappen der Familie Lauper zu sehen. Es weist auf den Stifter Christoph Lauper hin. (BF)